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Was man gegen Hass im Netz tun kann

„Bloggen gegen Rassismus – Holen wir uns das Netz zurück“

Der Journalist und Politikwissenschaftler Said Rezek hielt am Goethe-Gymnasium einen Vortrag über sein Buch.

„Bald sind Sie Deutscher, dann dürfen Sie keine Frauen mehr schlagen”, sagte eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde einem 15-Jährigen, als er die deutsche Staatsangehörigkeit beantragte. Das war die erste Diskriminierungserfahrung, die der heute 38-jährige Said Rezek in seinem Leben machen musste. Aufgrund seiner Herkunft und seiner Religion kam es immer wieder zu solchen Situationen – dies gilt vor allem aber auch für soziale Medien.

Um auf Rassismus und Diskriminierung im Netz aufmerksam zu machen, besuchte der Journalist mit libanesischen Wurzeln das Bensheimer Goethe-Gymnasium. Dort hielt er einen interaktiven Vortrag über sein im Jahr 2020 erschienenen es Buch „Bloggen gegen Rassismus – Holen wir uns das Netz zurück” im Rahmen des „Tags für Zivilcourage” am 19. September.

Fast eine Millionen Menschen sind sehr häufig von Hass betroffen

Begrüßt wurde der Politikwissenschaftler von der stellvertretenden Schulleiterin Nicole Guthier sowie dem Hauptamtlichen Kreisbeigeordneten Matthias Schimpf. Schimpf hob in seiner Ansprache die Relevanz des Themas besonders für Schüler hervor, da sie vermehrt digital kommunizieren. Er betonte, dass dringend Strategien nötig seien, um Hass in den sozialen Medien wirksam zu begegnen.

Das Stichwort „Soziale Medien” griff auch Rezek auf und fragte die Besucher zu Beginn der Veranstaltung, wer täglich soziale Netzwerke nutzt. Nahezu alle Hände der Anwesenden in der Mensa gingen nach oben. Wenig überraschend, bewertete Rezek diese kleine Umfrage. Dabei verwies er auf eine Forsa-Studie aus dem Jahr 2023, die besagt, dass 91 Prozent der 14- bis 29-Jährigen täglich auf Social Media unterwegs sind. Je älter die Zielgruppe, desto weniger aktiv war sie auf sozialen Netzwerken.

Hass-Kommentare im Netz haben auch fast alle Teilnehmer zumindest gelesen, einige von ihnen waren bereits selbst Opfer von „Hate Speech“, also Hass-Rede im Internet. Erschreckend ist auch die Anzahl an Personen, die sehr häufig von Hass-Kommentaren auf sozialen Medien betroffen sind. Rund ein Prozent der Bevölkerung, das heißt circa 840 000 Menschen, sind 2023 ins Visier von „Hatern” geraten. Auch 92 Prozent der 14- bis 24-Jährigen sind zumindest schon in Kontakt mit Hass im Netz gekommen.

Die Ursachen von Hate Speech auf sozialen Netzwerken sind laut Rezek vielfältig. Die Anonymität im Internet und die Distanz zum Gegenüber sind nur zwei der möglichen Gründe, weswegen sich negative Kommentare im Netz häufen. „Zum einen denken die Hater, das Internet sei ein rechtsfreier Bereich, zum anderen erhalten sie keine unmittelbare Reaktion wie in der analogen Welt”, erklärte der Journalist. Dabei betonte er, dass rassistische oder menschenfeindliche Einstellungen vielen Menschen täglich im Alltag begegnen würden, dort werden sie nur seltener ausgesprochen.

Hass-Kommentare bedrohen die Demokratie

Eine Entwicklung wie diese bleibt auch nicht ohne Folgen: Die Hälfte aller Social-Media-Nutzer wollen sich nicht politisch äußern, so Rezek. „Das ist eine Gefahr für die Demokratie.” Hass-Kommentare hätten darüber hinaus sowohl physische als auch psychische Folgen und würden auch für einen Rückgang von prosozialem Verhalten sorgen. Die Sorge, selbst Opfer von solchen Kommentaren zu werden, sei dann größer als der Wille, Zivilcourage zu zeigen.

Aber woher kommt der Hass überhaupt? „Studien zeigen, dass Hass-Kommentare von 2022 bis 2023 stark angestiegen sind”, versuchte Rezek die aktuelle Situation zu erklären. Von rechts habe sich die Zahl verdreifacht, von links wenigstens verdoppelt. Die Dunkelziffer sei jedoch deutlich höher, da viele Äußerungen im Netz nicht gemeldet oder angezeigt werden.

Warum so viel Hass von rechts kommt, sei unter anderem auf die Social-Media-Kanäle der Parteien zurückzuführen. Der AfD folgen mehr Personen auf Facebook als den Ampel-Parteien zusammen, das heißt, sie erreicht viel mehr Nutzer auf der Plattform als die Regierungsparteien.

Zum Vergleich: Die AfD hat aktuell (Stand 19. September 2024) etwas mehr als 600 000 Follower, der SPD folgen 95 000 Menschen, die Grünen haben 230 000 und die FDP 162 000 Follower. Auf Instagram liegt die AfD mittlerweile knapp vor den Grünen, dies ist aber eine neue Entwicklung. Denn lange habe das Medium als „links-grün-versifft” gegolten.

Erstaunlich ist jedoch der immense Unterschied auf TikTok: Zwar hat die AfD „nur” 475 000 Follower, sie erreicht aber pro Kurzvideo 430 000 Konten. Das bedeutet, dass das Video im Schnitt 430 000 TikTok-Nutzern angezeigt wird. Im Gegensatz dazu werden Videos der SPD nur etwa 22 000 Personen angezeigt.

Soziale Medien spielen bei den Hatern eine große Rolle, so Rezek. „Sie finden, dass die Informationen in etablierten Medien verzerrt sind und nehmen jede Kritik als Zensur wahr.” Dabei würden sie soziale Netzwerke gezielt nutzen, um ihre Hetz-Botschaften zu verbreiten. Ihr Ziel sei es, die öffentliche Meinung zu manipulieren und Menschen mundtot zu machen.

Zivilcourage ist auch im Netz wichtig

Dabei verwies der Journalist auch auf das Wiener Neujahrsbaby 2018. Damals postete die Krankenanstalt Rudolfstiftung ein Foto der neugeborenen Asel, worunter zahlreiche Hasskommentare abgegeben wurden, da es sich bei dem Kleinkind um ein muslimischstämmiges Baby handelte.

Sollte man auf Hass-Kommentare reagieren oder nicht? Die Argumente gegen eine Reaktion sind vielfältig: Zum einen kann es stressig sein, sich auf solche Kommentare einzulassen, da man selbst ins Visier der Hater geraten könnte. Zum anderen sei es oft unmöglich, die Gegenseite zu überzeugen, und man sollte den Hatern keine zusätzliche Aufmerksamkeit schenken.

Andererseits spricht für das Beantworten von Hass-Kommentaren, dass man damit anderen Menschen Rückhalt gibt. Man sollte für seine Werte einstehen und ein Gegengewicht setzen. Darüber hinaus könne man sich direkt an die Betroffenen wenden, um sie zu verteidigen.

Ein Beispiel dafür sei ein Leser, der sich gegen die Hass-Kommentare zum Wiener Neujahrsbaby Asel stellte und damit Schlagzeilen in überregionalen Medien wie der FAZ machte. Er setzte sich für die Familie und für Liebe statt Hass ein. Rezek betonte in diesem Zusammenhang, dass jeder die Möglichkeit habe, durch Bloggen politisch aktiv zu werden: „Wir haben die sozialen Medien viel zu lange den radikalen Kräften überlassen.”