Goethe-Gymnasium stellt sich mit Worten gegen den Hass
Aktionstag „Goethe liest couragiert“ setzte ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und Rassismus
Mit Worten gegen den Hass: Unter dem Titel „Goethe liest couragiert – Aktionstag für Demokratie und gegen Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und Rassismus“ gab es am Freitagvormittag ein ganz besonderes Event im Goethe-Gymnasium.
Zu hören waren literarische Texte wie Romanausschnitte, Kurzgeschichten, Lyrik und Fragmente aus Theaterstücken, aber auch Sachtexte und Interpretationen. Und nicht nur veröffentlichte Texte bekannter Autoren wurden vorgelesen, sondern auch von den Schülern selbst Geschriebenes. Allen gemein war, dass sie Positionen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung repräsentieren. Die Vortragenden wechselten dabei ebenso rasch wie die Zuhörerschaft. So konnten im Lauf des Vormittags mehrere hundert Schülerinnen und Schüler in dem rund 90 Personen Platz bietenden Raum der Schulbibliothek dabei sein.
Initiative von zwei Lehrern
Die Aktion ging zurück auf die Initiative zweier Lehrkräfte: Für Maximiliane Gobes und Detlev Hoffmeister verlangten die antidemokratischen und antisemitischen Reaktionen in Deutschland in Bezug auf die Gewalteskalation in Nahost dringend nach einer Stellungnahme. Nach rund vierwöchiger Vorbereitungszeit in Zusammenarbeit mit der Schülervertretung (SV), und nachdem sich viele weitere Lehrerinnen und Lehrer dem Anliegen angeschlossen hatten, wurde der 1. Dezember an der Schule zu einem Tag gegen die zunehmende Polarisierung, die Tendenzen zum Populismus und das Nachlassen des Demokratieverständnisses in der Gesellschaft.
Das Datum war nicht zufällig gewählt, ist es doch der Jahrestag des Inkrafttretens der hessischen Landesverfassung im Jahr 1946 – übrigens der ältesten der aktuellen deutschen Landesverfassungen. Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem musikalischen Beitrag von Musiklehrerin Martina Limp, die zwei israelische Volkslieder gestaltete und gemeinsam mit dem Publikum den Titel „We Shall Overcome“ intonierte, das zum Protestsong schlechthin gewordene Lied der Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten.
Die SV setzte sich bei der Begrüßung ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler mit der Bedeutung des Begriffs Courage als „sozialem Mut“ auseinander und auch damit, wie wichtig es sei, diesen Begriff mit dem eigenen Handeln zu verbinden, damit das Goethe-Gymnasium dem Titel, den es seit dem Jahr 2011 trägt – „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ – tatsächlich gerecht und dieser nicht nur genutzt werde, „um als Schule gut dazustehen“. Schulleiter Christian Peter las aus dem Vorwort zu Carolin Emckes Essaybuch „Gegen den Hass“, ein Aufruf, Pluralität auszuhalten, als Grundvoraussetzung für die Verwirklichung von Demokratie.
Literarische Texte aus allen Jahrgangsstufen
Mehrfach kamen in der Folge Passagen aus Lessings „Nathan der Weise“ zu Gehör, unter anderem mit der vielzitierten Frage „Sind Christ und Jude eher Christ und Jude, als Mensch?“. Ein Interview mit dem gegen Antisemitismus und Ausgrenzung Geflüchteter politisch engagierten Pianisten Igor Levit stand ebenso auf dem Programm wie das Zitat der amerikanischen Bürgerrechtlerin Angela Davis „In a racist society, it is not enough to be non-racist, we must be anti-racist“, gefolgt von der deutschen Übersetzung und einer Interpretation der Aussage durch Schülerinnen und Schüler. Mit drei selbstverfassten Texten über eigene Diskriminierungserfahrungen gab es aus der Schülerschaft deutliche Zeichen für die Relevanz und Aktualität des Themas an der Schule selbst.
Einen großen Teil des Programms machten in allen Jahrgangsstufen literarische Texte zum Thema aus, die im Unterricht behandelt worden waren, und mit verteilten Rollen oder in abwechselnden Passagen gelesen wurden. Für die Unterstufe zum Beispiel war das mehrfach preisgekrönte Jugendbuch „Der gelbe Vogel“ des amerikanischen Autors Myron Levoy ausgewählt worden, in dem es um die Freundschaft eines New Yorker jüdischen Jungen zu einem durch die NS-Verbrechen traumatisierten jüdischen Mädchen geht. Mehr in der Gegenwart spielt Federica de Cescos Kurzgeschichte „Spaghetti für zwei“ über den Teenager Heinz, der – ohne sich selbst als Rassist zu begreifen – in von Vorurteilen gesteuerter Wut irrtümlich mit einem vermeintlichen Asylbewerber ohne Deutschkenntnisse das Mittagessen vom selben Teller isst – und am Ende feststellt: Dieser war cooler, als Heinz je sein würde.
Zwischen den Schülerbeiträgen meldeten sich auch Lehrer zu Wort, die mehrsprachig oder mit einer nicht-deutschen Muttersprache aufgewachsen sind. So zitierte Ferit Cakmaz das Motto des türkischen Staatsgründers Atatürk „Frieden zu Hause, Frieden in der Welt“ – in drei Sprachen, nämlich auf Türkisch, auf Kurdisch und auf Deutsch.
Zum Schluss des Vormittags verlasen rund 50 mit einer anderen Muttersprache als Deutsch aufgewachsene Schülerinnen und Schüler des Goethe-Gymnasiums je ein selbstgewähltes Statement zum Thema Diskriminierung und Rassismus.