Das Bensheimer Goethe-Gymnasium hilft Geflüchteten
Eine Schulgemeinschaft krempelt die Ärmel hoch und packt gemeinsam kräftig mit an, damit es den geflüchteten Menschen aus der Ukraine etwas besser geht. Am Goethe-Gymnasium haben in einer konzertierten Aktion Schülerinnen und Schüler, Lehrer und Eltern Hilfsgüter und Spendengelder zusammengetragen, die mittlerweile nach Budapest gebracht worden sind.
Ein Konvoi aus fünf Sprintern, einem 3,5-Tonnen-Lkw und einem 7,5-Tonner sowie vier weiteren Fahrzeugen brach im Rahmen der Tour auf in die ungarische Hauptstadt. Initiiert hatte die Aktion der Schulelternbeirat, letztlich zogen aber alle, inklusive des Fördervereins, an einem Strang, um ihren besonderen Beitrag in schweren Zeiten zu leisten. „Wir hatten bereits mit unserem Sportverein für die privat organisierte Gruppe gesammelt. Die Fahrer ließen uns damals fast live über Videos und Chats nachverfolgen, was sie erlebt haben“, erklärte Beiratsvorsitzende Eva Röth.
Gegen die eigene Hilflosigkeit
Sie konnte dadurch das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit angesichts der Nachrichten und Bilder aus dem Kriegsgebiet besser verarbeiten – „einfach, indem man selbst aktiv wird“. Wenn man sehe, wie die Spenden vor Ort ankommen, verteilt werden, die Dankbarkeit spürt, das mache etwas mit einem.
Doch nicht nur die Erwachsenen, auch Kinder und Jugendliche müssen mit der aktuellen Situation emotional klarkommen. „Sie haben auch Sorgen, Ängste, ein Gefühl der Ohnmacht, wollen helfen, wissen aber oft nicht, wie“, meinte Röth. So entstand die Idee, am Goethe ebenfalls einen Aufruf zu starten. Die Resonanz war überwältigend. Aus allen Jahrgangsstufen heraus beteiligten sich die Gymnasiasten, sammelten, sortierten, verpackten, malten Schilder und animierten zum Spenden.
Das Material reichte, um drei Sprinter bis unter die Decke zu füllen. Mit den finanziellen Zuwendungen konnten Fahrzeugmiete und Spritkosten bezahlt werden. „Wir haben bis auf Kleidung alles genommen, was momentan benötigt und angefragt wird“, erläuterte Sabine Schubert aus dem Vorstand des Schulelternbeirats.
Medikamente für ein Krankenhaus, sterile Katheder, ein Notfallrucksack, Hygieneartikel, Grundnahrungsmittel, Babyartikel, Spielsachen, Desinfektionsmittel und 200 Kilogramm Tiernahrung wurden auf den Ladeflächen verstaut, plus 120 Schlafsäcke, Kerzen und Ladeakkus. Für das Bensheimer Gymnasium war es nicht die erste Hilfsaktion. „Wir haben eine ukrainische Kollegin, über sie hatten wir bereits einen Transporter auf den Weg gebracht“, berichteten Schulleiter Jürgen Mescher und Studiendirektorin Nicole Guthier im Gespräch mit dieser Zeitung.
Bereits bei der Premiere zeigte sich ein hohes Maß an Engagement und Hilfsbereitschaft, weshalb man zuversichtlich und optimistisch erneut um Unterstützung bat. „Für die Schüler ist das auch eine Form der Verarbeitung ihrer Sorgen und der eigenen Ohnmacht“, bemerkte Mescher. Es sei ein gutes Gefühl für sie, sich tatkräftig für Menschen in Not einsetzen zu können.
„Wir halten zusammen“
Zum Tragen kam dabei das Schulmotto „Wir halten zusammen“. Der Schulelternbeirat hatte die Rückkehr der Kinder und Jugendlichen nach dem ersten Corona-Lockdown unter diesen Leitspruch gestellt, nun wurde es auf die Situation in der Ukraine übertragen. „Es stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl ungemein“, bekräftigte Nicole Guthier.
Das gelebte Motto schlage Brücken und es beweist, „dass wir niemanden ausschließen, auch nicht unsere russischen Mitschüler“, betonte die Schulleitung. Die hätten begeistert mitgemacht. Entscheidend für den Erfolg und das gute Gefühl waren darüber hinaus die Rückmeldungen der Fahrer. Sie hielten per Videos und Chats die Daheimgebliebenen auf dem Laufenden, zudem schickte das ungarische Rote Kreuz ein Dankesvideo. „Das hat allen sehr viel bedeutet“, fügte Eva Röth an.
Die Erlebnisse und eindrücklichen Schilderungen von unterwegs haben ohnehin Eindruck hinterlassen. Auf dem Rückweg konnten beispielsweise zwei Familien und ein Alleinreisender, insgesamt neun Geflüchtete – mitgenommen werden, die in der Region privat untergebracht wurden. Praktisch vom Straßenrand weg haben die Helfer außerdem eine Frau mit ihren beiden Kindern einsteigen lassen, ihr Hab und Gut trugen sie in drei Plastiktüten mit sich.
Für die Haupt-Organisatoren, allesamt Lufthansa-Mitarbeiter aus dem Rhein-Main-Gebiet war es nicht die erste Tour. Schon zweimal brachten sie eine Lieferung nach Polen, bei der Premiere mit zwölf Autos und 29 Fahrern. 14 Tonnen Material im Wert von 30 000 Euro kamen zusammen.
Durch eine Reportage im polnischen Fernsehen wurde die ungarische Regierung auf die Ehrenamtlichen aufmerksam und nahm Kontakt auf. „In Ungarn wird die Versorgungslage durch die hohe Zahl an Geflüchteten zunehmend schlechter“, so Röth.
Die Gruppe entschied sich zu helfen und machte sich an die Arbeit – das Ergebnis spricht für sich, sowohl im Allgemeinen als auch am Goethe-Gymnasium. Dort darf man zurecht stolz auf die Gemeinschaftsleistung sein – und sollte erneut angepackt werden müssen, weiß man mittlerweile: „Wenn wir zusammenhalten, können wir alles erreichen.“