„Europa ist nicht nur ein Schild an der Tür“

Der neue Europastaatssekretär Uwe Becker besucht das Goethe-Gymnasium

Chor und Orchester spielten ein fulminantes Willkommen. „Vois sur ton chemin“ von Barratier/Coulais empfing den Gast und Schulleiter Jürgen Mescher freute sich sichtlich über die Ehre seines Besuchs: Der neue hessische Europastaatssekretär Uwe Becker, dessen persönlicher Weg vom Bürgermeisteramt in Frankfurt in die Staatskanzlei nach Wiesbaden führte, hatte sich den Projekttag des Goethe-Gymnasiums Bensheim ausgesucht, um zu sehen, wie eine hessische Europaschule arbeitet. „Europa ist nicht nur ein Schild an der Tür“, sagte Becker und, seine ersten Eindrücke zusammenfassend: „Es ist toll, wie Europa hier gelebt wird.“

Der Krieg in der Ukraine zeige, dass Frieden, Freiheit und Demokratie zerbrechlich seien und alle etwas dafür tun müssten. „Die Schülerinnen und Schüler werden es in der Hand haben, wie es mit Europa weitergeht,“ sagte Becker an die Adresse seiner jungen Zuhörer, die zum Europa-Projekttag in die Mensa strömten, um sich an zwölf Ständen über die Angebote ihrer Schule zu informieren. Nur durch frühe Begegnungen lerne man, andere zu verstehen – „oder auch mal nicht oder auch falsch.“ Gegenseitige internationale Besuche seien nach Corona wieder möglich und wichtig. Becker hob die Leistung der Lehrerinnen und Lehrer hervor, die ohnehin schon viel zu tun hätten und trotzdem die Austausche organisierten, an denen jeder Goethi mindestens einmal in der Mittelstufe teilnimmt.

Große und kleine Wünsche an Wiesbaden

„Am Ende werden wir bleiben/und unter euren Entscheidungen leiden“, setzte es dann Politiker-Schelte von den Poetry-Slammerinnen Fiona Hannig und Stina Heidemann: „Klima, Tiere, Natur, Sie, ich und wir“ säßen alle in einem sinkenden Boot, während die Politik diskutiere. Gegen nationale Egoismen setzen die Poetinnen auf Europa als Gemeinschaft: Wie Europa zu UNSEREM Europa werde, das sei die Frage, lautete die selbstbewusste Botschaft an den Europastaatssekretär im Publikum. Der dankte auch dafür und tauchte ab ins Gewusel in der Mensa „zum Schauen und Staunen“. Gemeinsam mit den Fünf-, Sechst- und Neuntklässlern nahm er die Einladung Jürgen Meschers an, „zu sehen, was an der Schule alles los ist“.

In fachkundiger Begleitung von Europa-Koordinatorin Martina Limp informierte sich Becker über die laufenden Aktivitäten. Am Stand politische Bildung fesselte die aktuelle Verlegung von Stolpersteinen zum 150. Schuljubiläum die Aufmerksamkeit des Politikers, der auch Antisemitismus-Beauftragter der Landesregierung ist. Neue und alte Austausch-Projekte mit Belgien, Schweden und Frankreich stellten sich vor, aber auch die Goethe-Robotiker, die zur Weltmeisterschaft der First-Lego-League nach Rio eingeladen sind, nach 2018 von dem nächsten Titelgewinn träumen und noch Sponsoren für die Reise suchen. Da das Goethe-Gymnasium auch Botschafterschule des EU-Parlaments ist, nutzen die Juniorbotschafter ihre Chance, ihren Herzenswunsch nach Wiesbaden mitzugeben: Sie hoffen wieder auf Praktikumsplätze in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel.

Alle fanden in Uwe Becker, der selbst Schüler einer Europaschule in Frankfurt war, einen aufmerksamen Zuhörer. Und wie es sich bei einem Schulbesuch gehört, lernte der Staatssekretär auch etwas - bei der AG Kreatives Schreiben, wie man einen Limerick verfasst. Und was ein Fairaner ist. Nämlich ein Mensch, der nur fair gehandelte Produkte kauft, belehrte ihn die Fairtrade AG. Hätten Sie’s gewusst?

Ute Ritter